Hinter dem praktischen Handydienst "Musicfinder" steckt eine ausgeklügelte Technologie.
Von Simone Luchetta
Neulich in einer Bar erregte mitten im Gespräch ein Musikstück, das uns berieselte, meine gesamte Aufmerksamkeit: Wie hiess der Song schon wieder? Es wollte mir einfach nicht einfallen. In schierer Verzweiflung fragte ich meinen Begleiter. Wortlos zückte dieser sein Handy, tippte darauf herum und hielt das Telefon in Richtung Boxen. Was tut der Mensch da? Wenige Sekunden später erhielt er ein SMS: «Das war ‹Loulou› von Stéphane Pompougnac.» Er lächelte triumphierend. Ich war beeindruckt.
Zauberei? Fast. Mein Gegenüber nutzte eine Dienstleistung namens Musicfinder, die Sunrise seit ein paar Monaten mit Directmedia zusammen anbietet. Wer ein Stück, das er oder sie gerade hört, nicht kennt, aber gerne würde, wählt 076 333 66 33, fängt die Musik rund 20 Sekunden mit dem Handy in Richtung Musikquelle auf, bis der Anruf abbricht, und erhält im Nu ein SMS mit den gewünschten Angaben. Eine Abfrage kostet 1 Franken plus Verbindungsgebühr.
Der Dienst ist laut Sunrise «ein durchschlagender Erfolg», Nutzungszahlen bleiben jedoch unter Verschluss. Orange überlegt, ebenfalls einen solchen Service anzubieten, bei Swisscom ist kurzfristig nichts Derartiges geplant. Macht nichts: Auch Swisscom- und Orangekunden können Musicfinder beanspruchen, der übrigens mit allen Handys funktioniert.
Das Erstaunliche ist, dass die Hexerei fast immer klappt. Ob Autechre, Lambchop oder Saint Etienne, Musicfinder erkennt den Song. Passen musste er hingegen bei Franz Ferdinand, an Konzerten, bei Ländlern und Klassiktiteln. Auch selbst gesungene Lieder erkennt er nicht.
Digitale Fingerabdrücke
Was steckt hinter dem Spuk? Hält sich Sunrise irgendwo in Bangalore ein paar Tausend Musik liebende Inder am Fliessband, die für ein Taschengeld die Anfragen per SMS beantworten? Falsch. Die Musikerkennung per Handy basiert auf einer Technologie der britischen Firma Shazam. Diese hat im Londoner Untergrund ein Netz von 80 Rechnern, das rund um die Uhr Anrufe aus der ganzen Welt empfängt. In Deutschland und England bietet die Swisscom-Teilhaberin Vodafone den Dienst an, weiter gibts ihn in Österreich, Griechenland, Italien, Australien und Japan. Während wir die Handys in die Luft halten, schneidet London mit, erstellt einen so genannten digitalen Fingerabdruck des Titels und vergleicht ihn mit einer Datenbank. Eine halbe Minute später kommt das SMS mit der Antwort. Die laufend wachsende Datenbank umfasst momentan 1,7 Millionen Stücke. Ziel ist es, jeden verfügbaren Titel aufzunehmen, von neuen CDs wird der Fingerprint noch vor dem Erscheinen genommen, versichert Shazam.
Das Prinzip des digitalen Fingerabdrucks ist rasch erklärt: Das Programm analysiert das Frequenzspektrum der Musik. Für die Identifizierung zählt nicht nur der zeitliche Ablauf, sondern auch Klangfarbe, Instrumentierung, Tempo und Dynamik eines Stücks. Damit liefert das Programm den einzigartigen Fingerabdruck.
Die Datenbank ist das Kapital von Shazam. Ohne sie ist ein Fingerprint so viel wert wie ein echter Fingerabdruck ohne Verbrecherkartei. Die Firma Gracenote, die mit Philips zusammen in der Musikerkennung forscht, soll laut Website gar über vier Millionen Abdrücke verfügen.
Übrigens: Erkennt Musicfinder einmal ein Stück nicht, ist das ein Frust, das erhaltene SMS ist dafür gratis.